Vorhang auf und Manege frei für Saltatio Mortis „Zirkus Zeitgeist“
Vom betrunkenen Soundcheck, den bebenden Grundfesten des Capitols und dem rosa Bademantelmobbing
22.04.2016 [sh] Seit sich die Spielleute Saltatio Mortis im Jahr 2000 zusammen fanden, schritt die musikalische Entwicklung der Band weit voran. Über die Jahre ist der Mittelalter-Folk-Sound rockiger geworden. Die letzten Alben landeten allesamt in den Top-10 der Album Charts und mit ihrer aktuellen Nummer-Eins-Scheibe „Zirkus Zeitgeist“ waren sie für den Echo 2016 in der Kategorie Rock/Alternative National nominiert. Aber ob Akustik-Set oder Mittelalter-Folk-Rock-Konzert, die Spielmänner wissen Feste zu feiern, holde Jungfrauen in sündige Wildkatzen zu verwandeln, einen Saal zum Beben zu bringen und ein Gemäuer in seinen Grundfesten zu erschüttern. Mit kritischen Texten und einer gehörigen Portion Humor sind sie nun mit dem zweiten Teil der „Zirkus Zeitgeist“ Tour in den Clubs unterwegs und konnten schon vermehrt AUSVERKAUFT vermelden.
Wenn Musik Passion ist, wird grau zu grün und ein kleiner Club verwandelt sich in einen irischen Pub. So geschehen am vergangenen Freitag, als die Münsteraner Mr. Irish Bastard die Bühnenbretter enterten und den Hannoveranern kräftig einheizten. Mit ihrer rasanten Irish Folk-Punk Mischung zogen sie das Publikum in ihren Bann. So regten Songs wie „Drink Another Day“ oder „I Hope They Sell Beer In Hell“ nicht nur zum gemeinschaftlichen Kehle befeuchten, sondern die flotten Melodien auch zum Tanzbeinschwingen an, was der Saalbelüftung dann doch schon einiges abverlangte.
Aufgeheizt flimmerte die Luft im Innenraum und euphorisch war die Stimmung der Fans. Je länger aber nun die Umbaupause andauerte, desto vehementer, desto lauter wurden die „Saltatio Mortis“ Rufe. Ein „Gong“ kündigte letztendlich den Beginn der Show an und mit dem Opener „Wo sind die Clowns?“ warb man sogleich für ein wenig mehr Unbeschwertheit in der sich immer ernster nehmenden Gesellschaft. Aber auch der stetig wachsende Konsum, die unbändige Gier nach mehr Geld, mehr Macht, mehr Anerkennung und die ständige Beweihräucherung des eigenen Egos wurden, verpackt im mittelalterlichen Gewand, thematisiert. Dies jedoch alles mit der Leichtigkeit und vor allem der unbändigen Spielfreude, die man von den Spielleuten kannte. Zirkusdirektor und Frontmann Alea der Bescheidene hatte das Publikum von Beginn an im Griff. Gern präsentierte er seinen gestählten Körper und zeigte sich überaus sprungfreudig. Seinen Animationen leisteten die Fans gern und zahlreich folge. Das Capitol bebte, der Balkon vibrierte und das Blut pulsierte im Takt, trieb die Hitze durch den Körper und und die Röte auf die Wangen.
Ausgelassene Stimmung auf der Bühne, welche für den Bewegungsdrang der acht Spielmänner kaum ausreichte. Die Bühnenperformance war mitreißend, emotional und versprühte allerlei Charme. Den Jungs sah man wirklich an, dass die Musik nicht nur ein Job ist, sondern Leidenschaft pur. Diese Leidenschaft und unbändige Energie übertrug sich auf das Publikum und verwandelte den Saal in eine tanzende, singende und rundum feiernde Partyarena. Mit den melancholischen Klängen von „Augen zu“ und „Nachts weinen die Soldaten“ wurde es kurzzeitig nachdenklicher und kritischer. Der „Rattenfänger“ allerdings brachte die Fans wieder zum frenetischen jubeln und textsicher, wie lauthals wurde mitgesungen. Zwischen den Songs liesen die Spielleute die Fans an ihren Erlebnissen teilhaben und kramten so manch Anekdote aus. So erzählten sie unter anderem von ihrer Brauereibesichtigung und dem darausfolgenden wohl betrunkensten Soundcheck aller Zeiten oder sorgten mit so manch Späßchen untereinander für Kurzweil. Der überaus unauffällige ROSA Bademantel von Bruder Frank sorgte dann doch für so manch Lästerattacke.
Viel zu schnell verging die Zeit, der Abend neigte sich dem Ende. Aber noch einmal galt es, die Reserven zu entfesseln. Während man auf der Bühne kraftvoll und energetisch den “Spielmannsschwur” erneuerte, bebte noch einmal der Saal, flimmerte die Luft und wurde der Sauerstoff knapp. 1.600 Fans stimmten in den Gesang ein und sorgten noch einmal für Gänsehaut, als sie einfach weiter sangen während die Melodie bereits verklungen war. Und so trat man letztendlich mit den Zeilen „Wir sind wie der Wind, man sperrt uns nicht ein, wild und frei“ im Ohr vor die Tore und die kalte Aprilnacht umfing die Fans.